Interaktive Klanginstallation, Anatomisches Institut, Universität Homburg/Saar, 2002
Drei Vitrinen, Glasfarbe, Sauggriffe, Schiefer, Kakteen, Sukkulenten, Stachelschweinborsten, Pferdehaar, Sand, Piezo-Schallwandler, Verstärker, Isolationskopfhörer
Die Vitrinen, mit weißer transluzenter Farbmaterie gefasst, erscheinen in der Gangsituation des Flures als diffus leuchtende, schwebende Kuben. Die Innensituation der Kuben erschließt sich erst beim Öffnen der Vitrinentür, die nur soweit Raum gibt, dass eine Person vollständig jeweils eine Sektion der Folge erfassen kann.
Der technisch-tektonische Apparat der Vitrinen birgt, horizontal orientiert etwa in Hüfthöhe des Betrachters, organische Landschaften, deren unterschiedliche Komponenten, mit Kontaktmikrophonen versehen, in Quarzsand eingebettet sind. Der Besucher ist aufgefordert, durch taktile Aktion die Gegenstände dieser “Innenwelt” akustisch zu erwecken. Die so erzeugten Klänge sind simultan über Kopfhörer wahrnehmbar und modulieren je nach Intensität und Art der Berührung, so dass eine jeweils individuelle Musik abhängig von der eigenleiblichen Lebendigkeit des Agierenden entsteht.
Beim Aufsetzen des Kopfhörers wird weitestgehend die akustische Situation der Umgebung ausgeblendet und es entsteht eine – sehr intime - Situation vollständiger akustischer und optischer Konzentration auf die “Klanglandschaft”. Begleitet wird diese besondere akustische Situation von dem Grundmotiv des Sandes als Hinweis auf die Weite und Stille einer Wüste
Mit dem Auf- und Absetzen des Kopfhörers verbinden sich kontrasthaltige Situationswechsel, die Beginn und Ende in den Wahrnehmungsintervallen der Arbeit von Frauke Eckhardt markieren. So werden für den Besucher – optisch und akustisch – zwei verschiedene Wahrnehmungssituationen geschaffen.
Die Gestaltung der Landschaften orientiert sich an den Oberbegriffen Mineral, Pflanze und Tier.· Dem Mineral zugeordnet sind Schieferplatten, die in ihrer lagernd-ausgebreiteten Anordnung an eine zelluläre Struktur erinnern. Der Oberbegriff der Pflanze· wird durch Sukkulenten dargestellt, das Tier ist vertreten durch an Rosshaaren auf die Sandfläche herabhängende Stachelschweinborsten. Gerade hier erweisen sich die Einzelelemente der Installation als sensible Instrumente einer klanglichen Welterweckung. Die Bewegung der Borsten zeichnet eine flüchtige Partitur in die Sandfläche des Bodens. Nicht nur der Klang, auch die Notation wird durch die individuelle Aktion immer neu gesetzt.
Die “Klanglandschaften” stellen ein Analogieverhältnis zur Arbeit an Anatomischen Instituten her. Mit dem Weiss der Vitrinenwände deutet die Künstlerin auf das Leichentuch hin, mit dem die toten Körper in den Seziersälen bedeckt sind. Auch hier muss der Forscher sein Objekt erst ent-decken. Durch das Öffnen der Vitrinen wird der Besucher zum Erforscher des Kubus-Inneren wie der Anatom beim Eröffnen eines Leichnams.
Dr.A.Bayer